"Der Glaube muss in der Kultur eine Rolle spielen, damit die Welt nicht zugrunde geht."
Ludwig Mülheims
Der norwegische Dramatiker und Literaturnobelpreisträger Jon Fosse wird am 6. März 2025 in Köln mit dem Ludwig-Mülheims-Theaterpreis ausgezeichnet. Der mit 25.000 Euro dotierte Preis würdigt Fosses einzigartiges Lebenswerk, das existenzielle Themen wie Liebe, Verlust und Glauben in einer minimalistischen Sprache behandelt. Religion und Kunst sind für den Katholiken untrennbar: „Die Kunst, also im weitesten Sinne Literatur, Malerei, Musik und so weiter, bewahrt eine spirituelle Ebene, ohne die wir zu Unmenschen verrohen würden.“
Das Kuratorium des Theaterpreises lobte besonders Fosses Talent, die intensivsten menschlichen Gefühle mit reduzierter und einfacher Sprache zu beschreiben: Fosse erzähle die Gefühle seiner Protagonisten poetisch durch Pausen und Wiederholungen. Insbesondere „seine kompromisslose Verweigerung des Diskursrauschens in der aktuellen Welt macht das Theater
zu einem Ort des großen Zuhörens und damit zu einem Raum meditativer Aufmerksamkeit“, begründete das Kuratorium seine Entscheidung.
Jon Fosse macht in seinem umfangreichen Oeuvre die intensivsten menschlichen Gefühle – Angst, Schmerz, Verlassenheit und Tod – durch die radikale Reduktion und Einfachheit seiner Sprache spürbar. Er berührt damit das Unsagbare, das gleichwohl Ausdruck in Sprache findet. Seine Theaterstücke zeigen den Menschen in ausweglosen Situationen, in Verzweiflung und Panik. Der Unsicherheit und Orientierungslosigkeit gibt Fosse durch Verfahren der Wiederholung und durch Pausen poetischen Ausdruck. Seine kompromisslose Verweigerung des Diskursrauschens in der aktuellen Welt macht das Theater zu einem Ort des „großen Zuhörens“ (Jon Fosse) und damit zu einem Raum meditativer Aufmerksamkeit. Die Figuren-Rede wird durchbrochen von Momenten der Stille und des Schweigens, in denen im Blick auf die Abgründe und Verletzlichkeit des Einzelnen mystische Erfahrungen evoziert werden.
Fosses „de profundis“ aus Angst und Verlassenheit lässt damit die Möglichkeit von Hoffnung, Trost und Versöhnung aufscheinen.
Jon Fosse, 1959 in der norwegischen Küstenstadt Haugesund geboren und am Hardangerfjord aufgewachsen, gilt als einer der bedeutendsten europäischen Schriftsteller unserer Zeit. 2023 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Internationale Bekanntheit erlangte Fosse zunächst als Dramatiker. Seine mehr als dreißig Theaterstücke werden weltweit aufgeführt und brachten ihm zahlreiche Preise ein. In deutscher Übersetzung erschienen
zunächst die Romane "Melancholie", "Morgen und Abend" und "Das ist Alise". Für sein Prosawerk "Trilogie" bekam er 2015 den Literaturpreis des Nordischen Rates verliehen, den renommiertesten Literaturpreis Skandinaviens. Mit "Der andere Name", dem ersten Band seines Romanprojekts
"Heptalogie", war er 2020 für den International Booker Prize nominiert, mit dem letzten Band "Ein neuer Name" stand er 2022 auf der Shortlist und wurde mit den wichtigsten norwegischen Literaturpreisen Brageprisen und Kritikerprisen ausgezeichnet. Seit 2011 genießt er lebenslanges Wohnrecht in der "Grotte", einer Ehrenwohnung des norwegischen Königs am Osloer Schlosspark, und lebt mitunter auch in Hainburg an der Donau/Österreich oder in Frekhaug/Norwegen. Seit 2022 ist er Mitglied der Akademie der Künste in Berlin.